Wahlkampfbeobachtungen (Teil 8)

Plakatwahlkampf 2

In elf Tagen sind die Kommunalwahlen in Karlsruhe. Mittlerweile haben die Parteien und Gruppierungen so nahezu alles an Wahlkampfmunition verschossen, was die Magazine so hergeben. Das Stadtbild ist verschönert mit hübschen, farbigen Plakaten.

Gemeinsam für Karlsruhe

Diese Wählergruppierung hat sich besonders hübsche Plakate ausgedacht. Türkisfarbener Hintergrund mit gelber Schrift. Welche ein Kontrast. „Menschen zuerst, Familien fördern, Innovation und Bildung, Christliche Werte stärken“ steht auf dem einen Plakat auf dem anderem soll, laut Homepage „Wir lieben Karlsruhe“ stehen. Das sind natürlich fundamental konkrete Aussagen, die sicher den Einzug in das Stadtparlament gewährleisten.

Freie Wähler/BüKa

Diese Gruppierung hat sich etwas Zeit gelassen, um in der Wahlplakatschlacht mitzumischen. Dann aber richtig gut mit schönen Dreiecksständern und Hängern. Wenn man schnell an den Plakaten vorbeifährt oder radelt, wird die Botschaft einem nicht gleich klar. Bleibt man aber davor stehen und liest alles, was so darauf steht, sind die Plakatmotive ein wenig ironisch mit einem Hauch von Witz. Dabei kommt aber die politische Botschaft nicht zu kurz. Vielleicht muss man ein wenig nachdenken, wie was gemeint ist. Nachdenken schadet allerdings nicht und dann ist einem die Botschaft klar. Kandidaten der oberen Listenplätze vergleichen sich mit historischen Persönlichkeiten der Stadt Karlsruhe oder Denkmälern, wie z. B. den nackten Mann vor dem Wildparkstadion und gehen auf deren angebliche Zitate oder Leistungen ein. Der FW-Kandidat erwidert in Gegenüberstellung aus heutiger Sicht. Das gelingt in der Regel ganz gut, bis auf das Plakat mit dem Südstadtindianerbrunnen. Was hat denn der Indianerbrunnen in der Südstadt mit der Zweckentfremdung von Naherholungsgebieten zu tun? Vielleicht weil die Indianer in Reservate gezwungen wurden? Der Indianer sagt: „Natur und Land wollt ihr mir nehmen?“ Der Kandidat Herr Arzt sagt: „Nein!“ Die Botschaft: Keine Zweckentfremdung von Naherholungsgebieten. Der Vergleich von der Zerstörung des Lebensraums und Vertreibung der Indianer in den USA zur Änderung des Fläschennutzungsplanes für das Fleischwerk ist sehr weit hergeholt und absolut nicht vergleichbar. Letztendlich gelingt es aber den Freien Wählern die politischen Botschaften mit den Kandidaten gut zu verbinden. Die Kommunalwahl ist auch eine Persönlichkeitswahl. Bemerkenswert ist noch, dass am unteren Rand der Plakate „Freie Wähler für Karlsruhe“ zu lesen ist. Von BüKa scheint man sich langsam zu verabschieden.

Linke

Die Linke haben es ganz schlau gemacht. Zu Anfang wurden Plakate aufgestellt, die sowohl für die Kommunalwahl als auch für die Europawahl gelten. So spart man Geld, Differenzierung muss nicht sein. Schließlich ist man im Kommunalparlament und im Europaparlament für „Mehr Bürgerentscheide!“ Dann aber doch ein Gruppenbild mit den oben auf der Wahlliste platzierten Kandidaten. „Original links und sozial!“ will man sein. „Kostenlose Kitas statt Prestigeprojekte“. Dies dann wieder im typischen plakativen Linkspartei Stil.

Grüne

Die Grünen wollen Karlsruhe grüner machen und sich oder den Wähler zum Einmischen auffordern. Grün mobil für Fußgänger, Fahrrad und Straßenbahn. Chancengleichheit für große und kleine Kinder in Sachen Bildung. Einen schönen (G)Ruß aus Karlsruhe, wobei sie darauf aufmerksam machen, wem die Bevölkerung der Stadt dieses hypermoderne Kohlekraftwerk zu verdanken haben. Nämlich der CDU/SPD/FDP/KAL. Dann natürlich noch ein Gruppenfoto mit Kandidaten wobei diesmal nicht „Einmischen“ oben auf dem Plakat steht, sondern „Einmischerin“. Wer kapiert das denn? Seit neuesten gibt es jetzt noch ein Plakat mit einer Rechnung, einer Milchmädchenrechnung? Jetzt soll der Wähler auch noch nachrechnen. Kombilösung 170 + x Mio plus Stadion Neubau 107 + x Mio plus Neue Messe 13 Mio/Jahr plus Baden Airpark 1,3 Mio/Jahr. Wenn man das addiert, so kommt laut Grüne „Unsummen“ heraus. Saubere Luft sei dagegen unbezahlbar. Jeder Mathelehrer sträuben sich sicher die Haar, wenn er diese Rechnung sieht. Zunächst einmal hat man vergessen nach x aufzulösen. Und wenn man schon addiert, dann müssen die Variablen gleich sein. Eine Addition von absoluten Zahlen (inklusive x) und Zahlen die periodisch auftauchen, geht schon einmal gar nicht. Dann aber trotzdem addieren wollen und dann „Unsummen“ als Ergebnis angeben, ist haarsträubend. Man hätte doch einmal die jährliche Subventionierung an die Messe und an den Airpark „aufsummen“ können, seitdem sie besteht. Dann hätte man auch die Addition durchführen können, wobei dann sicher auch wieder Unsummen zusammen gekommen wären. Alles klar?
Niedlich hingegen ist das Mädchen, das durch die Luft gewirbelt wird, aber an beiden Händen gehalten wird. Grüne würden keinen fallen lassen, denn man sei gerecht, sozial und nachhaltig.

FDP

Kommt noch etwas? Wenig Neues! Ein Plakat wurde für eine Veranstaltung verbraucht, bei der es um die Abfallwirtschaft ging. Ein Plakat mit den Kandidaten in Grüppchenbildung. Was die Grüppchen bedeuten, kann man erst herausfinden, wenn man den Flyer dazu gelesen hat. Eine Plakat mit drei Jungliberalen, die in den Gemeinderat einziehen wollen und einige Plakate mit einzelnen Kandidaten, wobei einer besonders oft zu sehen ist in der Stadt. Derjenige will’s wohl wissen. Vielleicht kommt noch etwas, ein grandioses Abschluss-Sie-müssen-FDP-wählen-Plakat.

CDU

Das grandiose Wahlaufforderungsplakat der CDU ist dafür schon da. 48! Unübersehbar. „48 Stimmen für ihre CDU“ wollen sie. Liebe CDU, mit 48 Stimmen kommt ihr nicht in den Gemeinderat, schon gewusst? Dann noch ein Plakat das auf eine Veranstaltung mit Bundespolitikprominenz hinweist. Und seit dem „Wir können Karlsruhe“ wurde das Wahlvolk mit gleichtönigen Plakaten genervt, weil sie alle kaum voneinander unterscheidbar sind. Der Wiedererkennungswert ist zwar hoch, doch Langweile hoch zehn: Kinderbetreuung ausbauen – Familien stärken; Schulen sanieren – Bildung fördern; Mittelstand stärken – Arbeitsplätze sichern, Sauberkeit erhöhen – Sicherheit schaffen; Jugend fördern – Vereine unterstützen. Gähn! Diese politische Botschaften werden mit konkreten „Wies“ untermauert, leicht transparent, kaum zu lesen. Vielleicht ist das das Übel von Volksparteien, dass sie nicht so kreativ sein können, wie kleinere Parteien. Sie müssen ja alle Schichten ansprechen. Der eine oder andere Kandidat hat dann noch „sein“ Plakat aufgehängt, damit auch noch klar wird, dass es nicht nur um politische Botschaften geht, sondern auch Personen gewählt werden, die diese Botschaften tragen müssen.

SPD

Die SPD hat vermutlich als letztes Plakat ihre Fraktionschefin auf’s Plakat gesetzt, und um eine „Klare Entscheidung“ – für die SPD natürlich – gebeten. Wer SPD wählt, so muss man wissen, wählt auch Karlsruhe. So steht es auf allen Plakaten, und wenn das drauf steht, muss das auch wohl so stimmen. Dass annähernd 300.000 Menschen schon Karlsruhe mehr oder weniger gewählt haben, weil sie in dieser Stadt wohnen, verschweigt die SPD. Und ob alle deshalb die SPD wählen, darf stark bezweifelt werden. Man versucht einen Zusammenhang herzustellen, wo keiner ist. Süß ist das Kinderbetreungsplakat mit dem rosa farbenen Schnuller. Mit dem Umweltstadtplakat versucht man Grünen Wählern abspenstig zu machen, mit „Wirtschaftsstandort“ der CDU oder FDP.

In Durlach versucht ein Ortschaftsratkandidat Günther Jauch nachzumachen, indem er im Millionenspiel für den Wildpark eingeloggt hat. Und Durlach wäre noch schöner… wenn’s wieder rot wäre. Goldig! Einzelne Kandidaten dürfen sich auch bei der SPD auf den Plakaten präsentieren. Immerhin.

KAL

Die KAL setzt diesmal ganz auf „Personalwahlkampf“. Sie versucht ihre Stadträte mit politischen Botschaften zu verbinden. Das gelingt nur ansatzweise. Bei einem Plakat muss man mit der Lupe suchen, dass es um den Karlsruher Pass geht. Dies versucht man mit „Mittendrin statt außen vor“ zu verdeutlichen. Dabei wird man aber unwillkürlich an den ehemaligen Slogan des DSF erinnert, der „Mittendrin statt nur dabei“ hieß. Ein weiteres Plakat zeigt einen KAL Stadtrat, der die „Stadtteile stärken will, dabei ein Knielinger Ortsschild hält. Wie kommt das denn in Durlach z.B. an? Wie er Stadtteile stärken will, steht nirgends auf dem Plakat. Eindeutig hingegen, das Plakat „ Alter Schlachthof-Neue Ideen“. Hier wird eindeutig die eindimensionale Haltung der KAL in Sachen Kultur aufgezeigt. Es wird sich hauptsächlich für die sozio-kulturellen Einrichtungen wie Tollhaus, Substage und Jazzclub eingesetzt. Wie sehen das denn die anderen Kulturträger und -einrichtungen? Der Höhepunkt der Inhaltslosigkeit ist das Plakat auf dem Fraktionschef Lüppo Cramer zu erkennen ist. „Ich sage, was ich denke und ich mache, was ich sage.“ Ist das wirklich so? Das kann der Wähler überhaupt nicht nachprüfen. Und die Frage ist, ob Herr Cramer in manchen politischen Angelegenheiten überhaupt nachgedacht hat, und wenn nicht, warum er es dann trotzdem gemacht hat. Und hat er das dann auch immer gesagt? Der Satz hätte auch von John Wayne sein können, in seinem Westernklassiker Chisum. Dabei hat doch Herr Cramer gar keinen Cowboyhut aufgehabt – auf dem Plakat. Seine Mimik hat aber dazu gepasst. Das hat man anscheinend erkannt und Herr Cramer ist wieder auf einem Plakat zu sehen. Diesmal herzlich grinsend. Auch wieder ohne Inhalt. Dazu kommt noch der KAL-Vorsitzende, der auffordert „Karlsruher Liste“ zu wählen. Ohne Inhalt. Und wenn nicht? Dann müssen noch alle 48 Kandidaten der KAL auf dem zuletzt geklebten Plakat helfen zu überzeugen. Übrigens, wie könnte es anders sein, ohne inhaltliche Botschaft. Oder ist „Lust auf Stadt“ Inhalt?

Fazit

Plakate sind für den Wahlkampf einer Partei oder Gruppierung unverzichtbar. In erster Linie sind sie dazu da, das eigene Wählerpotential, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren. Die Parteien haben dafür ihre unterschiedlichen Plakatstile. Einige setzen mehr auf die Personen, anderen auf die politische Botschaften, wieder andere versuchen beides zu verbinden. Und das gelingt eben manchmal gut und manchmal weniger gut. Wahlentscheidend sind Plakate nicht. Wahlentscheidend ist eine Kumulation vielfältiger Faktoren, wie Wahlprogramm, vergangene politische Entscheidungen, Glaubwürdigkeit der Parteien und deren politisch Handelnden, sowie die Grundüberzeugung des Wählers. Ob ein Plakat nun inhaltlich und grafisch überzeugend ist, spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Geschrieben am 28. Mai 2009 von Swen Kraus /

Kommentare

  1. <<Der Höhepunkt der Inhaltslosigkeit ist das Plakat auf dem Fraktionschef Lüppo Cramer zu erkennen ist. „Ich sage, was ich denke und ich mache, was ich sage.“ Ist das wirklich so? Das kann der Wähler überhaupt nicht nachprüfen”>>

    Wieso nicht? Herr Cramer sagt, daß er denkt, was er sagt, und er denkt, daß er macht, was er sagt. Und das alles sagt und denkt und macht er auch.

    Solange es nicht darüber hinaus geht, ist das eine Tautologie.

    Jens · 28. Mai 2009, 17:40 · #

  2. Die Freien Wähler haben ein paar Tage vor der Wahl ein neues Thema gefunden: Sie wollen die U-Strab verhindern! Dazu haben sie auf viele ihrer Wahlplakete einen gelben Aufkleber angebracht mit eben diesem Slogan. Zusätzlich heute eine große Anzeige in den BNN, die dazu aufruft („…Um Karlsruhe zu können, hatten sie jahrzehnte Zeit….”). Die Idee ansich ist sicher gut, aber dieses FW-TV, bei dem die Kandidaten ins Internet sprechen, macht sie unwählbar.

    Auch schön der Ärger der CDU, der heute in den BNN steht: 2 Kandidaten (Ulrike Arimont-Ermel und Karsten Lamprecht) haben eigene Plakate drucken und aufhängen lassen. Die Fraktion wollte das natürlich nicht, und hat sie wieder anhängen lassen, bis man gemerkt hat, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gibt :)

    Beate · 4. Juni 2009, 10:00 · #

  3. “Sie wollen die U-Strab verhindern!”

    Das ist auch richtig so.

    Ranzenfrön · 4. Juni 2009, 12:55 · #

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