Warten auf den Notarzt
Am 16.12.03 war es endlich soweit. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte kein Karlsruher das Rettungsdienstsystem der Stadt. Ein aufgeregter Bürger, der die Tür aufbrechen musste, um in die Wohnung seiner Mutter zu gelangen, brachte Licht ins Dunkle. Er war erbost darüber, dass die örtliche Rettungsleitstelle, deren Betreiber das Deutsche Rotes Kreuz ist, ihm keinen Notarzt, sondern "nur" zwei Sanitäter ins Haus schickte. Die Badischen Neusten Nachrichten, Karlsruhes offizieller Meinungsbildner, sahen darin gleich eine Schlagzeile. Gratulation.
von Gustav Heiner
Vielleicht hilft es zu erwähnen, dass es seit über 15 Jahren in Karlsruhe üblich ist, den Notarzt nur noch in bestimmten Situationen hinzu zu ziehen - in der Fachwelt als Rendezvous-System bekannt. Kein Einzelbeispiel, sondern ein gefestigtes und in fast allen Städten bewährtes System. Im übrigen ist Arzt nicht gleich Notarzt. Die berufspolitisch korrekte Bezeichnung ist Arzt mit Fachkundenachweis Rettungsdienst. Ein Arzt braucht bis zu einem Jahr Weiterbildung um diese Qualifikation zu erreichen. In der örtlichen Presse auch gerne kolportiert und fälschlicherweise als Notarzt bezeichnet, ist der Ärztliche Notfalldienst. Dieser Dienst stellt jedoch nur ein Hausarzt-Ersatz dar und ist nur sehr eingeschränkt verfügbar. Es ist nicht alles Notarzt, wo Arzt draufsteht.
Eine weitere Neuerung für Karlsruher ist der Begriff des Rettungsassistenten. Kaum zu glauben, aber diesen Beruf gibt es schon seit 1989. Waren früher Sanitäter ein Abbild für Männer und Frauen in Grau, mit ebenso farbigen Decken unter dem Arm, sind die heutigen "Sanitäter" echte Lebensretter. In einem modernen Gesundheitssystem nicht mehr wegzudenken. Die Notfallmedizin hat sich von der samaritanen Laienhilfe schließlich weiterentwickelt, zu unseren Gunsten. Rettungsassistenten sind nicht zu verwechseln mit Menschen, die sich in ihrer Freizeit in diversen Hilfsorganisationen verwirklichen. Auch wenn diese zum verwechseln ähnlich aussehen und ein Rettungsdienstabzeichen am Ärmel tragen.
Welch hohe Ansprüche schon in der 2jährigen Ausbildung zum Rettungsassistenten gestellt werden, zeigt die in Karlsruhe ansässige Berufsfachschule für Rettungsassistenten von ProMedic. Einer Durchfallquote von bis zu 50 Prozent stehen die zukünftigen Kandidaten gegenüber. Hier ist Geiz nicht geil. Es geht um Menschenleben. Auch die Karlsruher sollten sich vom Wort Sanitäter befreien. Um den Menschen einen gewissen Respekt zu zollen, die Tag täglich immer ein bisschen mehr riskieren um unsere Gesundheit zu schützen. Also, merke: Rettungsassistent.
Damit wir die Karlsruher ganz verwirren: Es steht seit Jahren in Diskussion, ob es überhaupt noch einen Notarzt geben muss. Weltweit wird ein System bevorzugt, in dem nur noch Nicht-Notärzte, beispielsweise Rettungsassistenten, die Notfallrettung übernehmen. Es gibt für und wider. Die USA, England oder der Nachbar Niederlande, um nur drei zu nennen, kennt keinen Notarzt. Statistisch qualitativ schlechter sind diese Regelungen nicht. Viele Statistiken weisen sogar bessere sekundäre Outcomes aus, wie im Notarztland Deutschland. Und sie sparen Geld.
Die Vollkaskoversicherung für menschliche Unversehrtheit und Gesundheit ist längst nicht mehr in Volkes Hand. Da hilft es auch nicht, ein paar Smarts mit Blaulicht immer wieder in den Karlsruher Medien über Schlagzeilen wie "Jetzt noch schneller Leben retten" den Bürgern zu verkaufen. Diese Blaulicht-Smarts haben mit dem offiziellen Rettungsdienst überhaupt nichts am Hut. Durch ehrenamtliche Helfer besetzt, ohne Regelung einer medizinischen Mindestqualifikation, keine Qualitätskontrolle. Und in einer juristischen Grauzone. Von wem möchten Sie gerettet werden?
Doch genug auf den Köpfen der Fächerstadtbürger herum geklopft. Ein bisschen Kritik am Karlsruher Roten Kreuz muss auch sein. "Wichtig ist, bei der Alarmierung genau den Zustand der Person zu beschreiben. Man muss schon sagen, wie dringlich es ist", so die zuständige Pressesprecherin des DRK in den Badischen Neusten Nachrichten. Nun macht man den Schwarzen Peter am Hilfesuchenden fest, schließlich hat der ja angerufen. Aber halt, so einfach geht das nicht. Ist das nicht die Aufgabe des DRK-Mitarbeiters, der den Notruf entgegen nimmt? Muss er nicht herausfinden, um welches Krankheitsbild es sich handeln könnte? Sonst kann man Sprachcomputer einsetzen: "Keine Atmung, drücken sie bitte die 2." Das DRK ist gut beraten, seine Rettungsleitstelle nicht auf die qualitative Basis einer Hotline zu stellen. Mindestens so lange es noch diese Rettungsleistelle gibt. Mit der Einführung der einheitlichen Notrufnummer 112 und dem Zusammenschluss der Notrufleitstellen Feuerwehr und Rettungsdienst wird sich das Problem von selbst erledigen.
Geschrieben am 19. Dezember 2003 von Oliver N. /
Stephan Weber · 20. Dezember 2003, 19:12 · #
Manuela G. · 20. Dezember 2003, 19:26 · #
Huber Werner · 20. Dezember 2003, 19:40 · #
Gleiber Helmut · 25. Dezember 2003, 15:06 · #
Torsten Müller · 21. August 2004, 17:10 · #
Jochen Schmidt · 22. Februar 2005, 11:51 · #
André Rück · 3. September 2005, 18:26 · #
Huck · 2. Oktober 2005, 00:05 · #
Daniel Grein · 4. Oktober 2005, 03:23 · #
André Rück · 6. Oktober 2005, 23:17 · #
FB · 12. Oktober 2005, 11:11 · #
Clemens Hellenschmidt · 27. Oktober 2005, 20:27 · #
Micha · 3. November 2005, 23:59 · #
Sascha Steingrobe · 8. Dezember 2005, 11:56 · #
Falco · 24. Dezember 2005, 04:21 · #