Wenn eine Stadt Werbung macht

Städte stehen heute in einem harten Wettbewerb zueinander. Es geht um Firmen und Einwohner, verbunden mit Prestige, Zuschüssen und politischem Stellwert. Deshalb ist es auch für Städte ungeheuer wichtig, sich nach außen zu präsentieren, mit Glanz und Gloria. Es muss sein, um sich zu unterscheiden, weil Städte doch eigentlich gleich sind. Auch unser Karlsruhe probiert in eigener Sache einmal mehr einen goldenen Platz in der Mitte bundesdeutscher Städte zu erklimmen - mit einer Ortstafel.

Ortstafel als Markenzeichen von Gustav Heiner Vorbild war ein nach §42 StVo genanntes Richtzeichen. Eine Ortstafel soll Karlsruhe in die Köpfe der Entscheider und der Umzugswilligen bringen. In der Welt der Marken wird solchen Key Visuals besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Für Profis ist das Ziel einer Marke ein visuelles Alleinstellungsmerkmal mit auf den Weg zu geben. Ein Zeichen, wie der Streifen bei Nike, der Schriftzug bei Coca-Cola oder das Wappen von Ferrari. Es muss unverwechselbar, überraschend sein und die Philosophie des Trägers beinhalten. In den Köpfen muss es ohne Umweg zur richtigen Interpretation der Marke kommen, dann wurde richtige Arbeit von den Machern geleistet. Doch in Karlsruhe entschied man sich für ein Ortsschild - so ein Ortsschild, von dem jedes noch so kleine Örtchen mindestens zwei besitzt, eines am Anfang und eines am Ende. Von Überraschung kann niemand sprechen, sieht es auch noch so aus wie jedes Ortsschild. Das einzige Kriterium, die Philosophie, überträgt es zielgerecht: Wir sind eine Stadt, wie jede andere auch. Es ist auch schwierig, für eine Stadt ein Identifikationsmerkmal zu finden. Gerade für Karlsruhe, das außer der architektonischen Besonderheit, wie ein Fächer aufgebaut zu sein, als wohl einzige Stadt im Abendland eine Pyramide sein Eigen nennt und sich auf den weltbesten öffentlichen Nahverkehr beruft, keine weiteren Besonderheiten besitzt. Eine Marke ist eine Einheit, so verstehen es Profis. Vielleicht zeigt der Claim, den jede Marke ziert, die Bemühungen Karlsruhe zu dem zu machen, was es eigentlich ist: viel vor. viel dahinter. Was jetzt? Und mittendrin, was ist mittendrin? "Mittendrin statt nur dabei", so klärt uns schon das Deutsche Sportfernsehen DSF auf. Die Stadt Düren trifft da schon eher den Punkt: "Lebendig, offen, mittendrin". Oder vielleicht doch nur ein Sprücheklopfer, den wir gerne mit "Viel vor und nix dahinter" kommentieren? Verwirrung im Kopf - die Städte Rastatt, Baden-Baden oder Bühl sind dankbar; sie sind schließlich "viel dahinter". Genauso werden sich Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen bedanken, denn sie sind "viel davor". Fangen wir noch einmal von vorne an. "Wer sich nicht punktgenau positioniert, bliebt links liegen", schreibt das Wirtschaftsmagazin brand eins. "Differenzieren oder verlieren" ist der Titel eines Buches des Markengurus Jack Trout. Der Markenmantel einer Stadt soll einmalig sein, die Verknüpfung mit der Region in den Köpfen herstellen. Doch ist das mit einer Ortstafel möglich? Mit so einer, die jede andere Stadt hat? Auch wenn sie mittendrin ist, statt viel davor und viel dahinter? Selbst der Claim ist beliebig austauschbar, noch viel schlimmer, er stammt inhaltlich aus einem negativen Sprichwort. Diese Kampagne scheint wie ein aufgeblasener Luftballon zu sein, der bald platzt. Macht es Peng, erinnert sich keiner mehr daran. Schadet nicht. Bringt aber auch nix. Oder wirtschaftlich und politisch korrekt: Die Werbeinvestitionen erreichen an dieser Stelle nicht annähernd die Payback-Werte, die für selbstverständlich gefordert werden. Vielleicht hätte man es einfacher haben können. Die baden-württembergische Kampagne "Wir können alles - außer hochdeutsch" hat sich die besten Kritiken eingeholt. Und es steht jedem frei, sich an dieser zu bedienen. Die Stadt Ulm hat dies getan und verdoppelt gleichzeitig noch ihren Werbeetat. Denn "Wir können alles..." wird zur Hälfte aus der Stuttgarter Staatskanzlei bezahlt. Ein Vorteil wäre ein schon gefestigter Bekanntheitsgrad außerhalb der Landesgrenzen. Frei nach dem Motto: hier gehört auch Karlsruhe dazu. Es macht sich nicht immer bezahlt, schon gar nicht in globalisierten Zeiten, sein eigenes Süppchen zu kochen. Karlsruher kann man vielleicht noch mit einer Ortstafel überraschen, doch die große weite Welt da draußen verlangt weitaus mehr.

Geschrieben am 17. Dezember 2003 von Oliver N. /

Kommentare

  1. Ich muss gestehen, mir sind fast die Tränen gekommen - vor Freude. Endlich wagt sich mal jemand hinter der Stadtmauer hervor und kritisiert ebenbürtig das Karlsruher Konglomerat.

    Hans-H. Kestler · 17. Dezember 2003, 16:44 · #

  2. Auch mich erfreut, dass Kritik in Karlsruhe endlich mal ein bisschen lauter wird. Um dem ganzen noch eins draufzusetzen: Sehen wir uns doch die Anzeige aus dem Bild oben an. Die EnBW wirbt mit der Stadt oder die Stadt wirbt mit der EnBW. Trifft letzteres zu, ist wohl einiges an Informationspolitik am Rathaus vorbeigelaufen. Die EnBW wird außerhalb der „Ortstafelgrenzen“ von Karlsruhe als Serientäter für Störfälle in Atommeiler bezeichnet. Eine Suchanfrage bei Google.de nach „enbw störfall“ bringt 478 Ergebnisse zu Tage. Ist das unser Aushängeschild?

    Marianne · 17. Dezember 2003, 16:55 · #

  3. Die Entscheidung für "viel vor. viel dahinter" wurde ja schon ausführlich von den Verantworlichen auf einer fast rechtfertigenden Weise dargestellt. Doch den Grundsatz so zu hinterfragen hat sich noch keiner getraut.

    Peter M. · 17. Dezember 2003, 21:59 · #

  4. Die eigentliche Frage ist doch: Läßt sich aus einer Stadt überhaupt eine Marke schaffen?

    Klaus · 18. Dezember 2003, 08:34 · #

  5. Eine Stadt ist eigentlich schon eine Marke, es gilt der Marke das passende Image, eine Philosophie zu geben. Maßgeblich um etwas Beständiges zu kreieren. Das ist in Karlsruhe nie der Fall. Oder erinnert sich jemand noch an die "Fieber"-Kampagne 37,8 Grad? Die vom Ansatz wirklich sehr gelungen war.

    Stephan Manz · 18. Dezember 2003, 09:42 · #

  6. Jetzt ist erstmal die Kampagne "Kulturhauptstadt 2010" dran. Wie schnell ist da "viel vor. viel dahinter" wieder vergessen. Wie so vieles in KA.

    Sybille Weier · 20. Dezember 2003, 19:17 · #

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