Wahlkampfbeobachtungen (Teil 9)

Wahlkampf oder Wahlwettbewerb?

Bald ist es vollbracht. Noch dreimal darf das Karlsruher Wahlvolk aufwachen, dann husch husch zu den Wahlkabinen und Kreuzchen setzen oder man setzt auf Briefwahl, und kann den Sonntag genießen, ohne sich großartige Gedanken machen zu müssen, wer denn wählbar ist. Ab Montag wird etwas Wahlkampfruhe in die Stadt einziehen bis im September die Bundestagswahl ansteht.

Gemütlicher Wahlstiefel

War es in in den letzten Monaten ein Wahlkampf oder ein gemütlicher Wahlwettbewerb der konkurrierenden Wählerlisten? Der Begriff „Kampf“ hat nicht gepasst in Karlsruhe. Alles ging seinen gemütlichen Wahlweg. Die Parteien und Wählerlisten machten ihren Wahlkampfstiefel, besondere Wahlwettbewerbsüberraschungen gab es nicht. Manchmal flackerte etwas der „Kampf“ auf, der sich dann gleich wieder in Wohlgefallen auflöste. Es gab dieses Jahr wieder die üblichen Podiumsdiskussionen der gleichen Veranstalter, der eine oder andere Bürgerverein hat „seine“ Kandidaten eingeladen, wobei sich der eine oder andere Kandidat manchmal gut, der andere weniger gut geschlagen hat. Es ist schon manchmal verwunderlich, mit wie wenig Sachverstand man Kandidat einer Wählerliste werden kann, geschweige denn womöglich dann auch noch zum Stadtrat gewählt werden kann. Aber das ist eben so, nicht nur bei Gemeinderatswahlen.

Wer wird gewählt?

Wenn man sich die Steckbriefe der Kandidaten anschaut, hat nur derjenige eine Chance in den Gemeinderat gewählt zu werden, der mindestens in 20 Vereinen Mitglied ist. Es sei denn, man ist ziemlich weit oben auf der Wählerliste platziert. Sinnvoll ist auch neben den zig Vereinszugehörigkeiten eine Menge von Parteiämtern zu besitzen oder zumindest gehabt zu haben. Des weiteren ist es immer gut, entweder einem Berufsgruppenverband, einem Arbeitgeberverband oder einer Gewerkschaft anzugehören. Am Besten in Funktion, selbst wenn es nur die Verwaltung der Mitgliederkartei ist. Ansonsten sollte man sympathisch, freundlich und immer ein Lächeln auf den Lippen haben. Aber bitte nicht zu viel, sonst wirkt es doch zu belanglos. Etwas sich in Kommunalpolitik auskennen, kann auch nicht schaden. Jeder Kandidat sollte eine Meinung zur Nordtangente, Fleischwerk und Kombilösung haben. Schwupp-die-Wupp, schon bin ich ein geeigneter Kandidat und werde gewählt. Gewählt? Vielleicht!

Gemeinderat vergrößern!

Zielformulierungen müssen natürlich auch sein. Wie groß darf’s denn bitte sein? Natürlich Fraktionsstärke! Das heißt, drei Stadträte sollen’s schon sein. Für die einen ein großes Ziel, für andere gar keins. SPD und CDU werden diese Hürde mühelos überspringen. Warum ist Fraktionsstärke so wichtig? Zunächst hat man im Gemeinderat Antragsrecht und muss sich nicht nur bei Verwaltungsvorlagen mit Zusatzanträgen oder Änderungssanträgen begnügen. Dann spielt auch die Infrastruktur eine Rolle. Bei Fraktionsstärke gibt es ein Büro mit mindestens einer halben Bürostelle, ein Fraktionsgeschäftsführer kann bezahlt werden und es gibt von der Stadt ein Budget, das vieles leichter macht, um einigermaßen auf Augenhöhe mit den Dezernaten und Ämtern zu sein. Und das wissen auch die noch nicht im Gemeinderat vertretenen Parteien bzw. Wählervereinigungen. Diese sollten, wenn sie denn nicht in Fraktionsstärke in den Gemeinderat einziehen, sich einmal bei der KAL erkundigen, wie man auch ohne Fraktionsstärke Politik machen kann oder bei Linke-Stadtrat Fostiropoulos in die Lehre gehen. Er ist schon seit zehn Jahren Einzelkämpfer im Gemeinderat. Von null auf drei Stadträte zu kommen, braucht man je nach Wahlbeteiligung ca. sechs bis sieben Prozent. Das wäre ein Quantensprung in Sachen Wahlergebnisse. Kaum vorstellbar. Wenn sich aber alle Wünsche der Parteien und Grupperungen erfüllen sollen, müsste man den Gemeinderat vergrößern. FW/BüKA will mindestens drei Stadträte, Linke mindestens drei, KAL fünf, Grüne wenigstens einen mehr, SPD mindestens drei mehr, FDP bis zu acht insgesamt (!), Gemeinsam für Karlsruhe drei, Karlsruhe® für Familien drei und die CDU will sicher auch nicht kleiner werden. Macht summa sumarum: mindestens 22 zusätzliche Gemeinderatssitze, insgesamt 70 Volksvertreter für Karlsruhe. Dann wären allen gedient und Karlsruhe hätte eine bombige Volksvertretung voller Ausgewogenheit und Fachkompetenz, die schnellstens die Probleme der Stadt lösen könnten.

Chancen der Parteien und Guppierungen?

Vorhersagen, wie es ausgehen wird, kann man kaum. Der Faktor Wahlbeteiligung, Bundespolitikeinflüsse und vor allem die Finanz- und Wirtschafstkrise lassen keine Prognose zu, wer wie bei den Kommunalwahlen abschneiden wird. Das macht es diesmal auch so spannend. Das wissen alle Wahlwettbewerber. Es kann positive, aber auch negative Überraschungen am Wahlabend geben.

Stunde der Wählervereinigungen?

Die politische Szene aufgewirbelt haben die Freien Wähler/Bürger für Karlsruhe mit ihrem Spitzenkandidaten Jürgen Wenzel, der schon lange in der Kommunalpolitik in verschiedenen Funktionen tätig war und ist. Selten hat eine neue Gruppierung auf der Wahlbühne gleich mit so großem Magazin sich in den Wahlwettbewerb mit eingeschossen. Dass sie die U-Strab nicht mehr stoppen können, und selbst bei Einzug in den Gemeinderat es auch keine neue Mehrheiten gegen die U-Strab geben wird, wissen sie selbst gut genug. Dann aber doch ein solches Plakat zu kleben, schadet ihrer bisherigen Seriosität. Ein Einzug in den Gemeinderat scheint mit mindestens einem, wenn es gut läuft mit zwei Stadträten möglich zu sein.

Den beiden anderen Wählergruppierungen „Gemeinsam für Karlsruhe“ und „Karlsruhe® für Familien“ kann man nur Außenseiterchancen einräumen. Ihr Wahlprogramm bringt nichts wesentlich Neues, was nicht andere Parteien schon mit abdecken würden, Und hauptsächlich nur auf die Bildungs- und Sozialkarte zu setzen, scheint zu wenig zu sein, um sich ein eindeutiges Profil geben zu können. Im Gegensatz zu den FW/BüKA sind sie erst seit ein paar Monaten bekannt. Das macht die Ausgangslage nicht gerade einfacher. Vor allem, wenn das Wahlwettbewerbsmagazin nicht so stark gefüllt ist, wie bei den anderen.

Seit 25 Jahren bekannt ist allerdings die KAL. Diese kann aber nicht mehr den Alleinverterungsanspruch als einzige Wählervereinigung anzutreten für sich geltend machen. Denn vor fünf Jahren war ein Konkurrent eine Listenverbindung ÖPD/BüKA. Die KAL hat ein Profil, das sozial und ökologisch ist. Sie steht für Bürgerbeteiligung und betont besonders keinem politischem Lager anzugehören. Das mag stimmen. Umso spannender ist es, Ihr Wahlergebnis abzuwarten, weil sie eben entgegen Ihrem Profil oftmals in wichtigen Entscheidungen mit CDU und FDP abgestimmt hat. Sie hat u. a. mit CDU und FDP dem Masterplan zugestimmt, obwohl dort Inhalte stehen, die sie progammatisch ablehnt. Sie hat mit CDU und FDP die CDU Bürgermeisterin Mergen gewählt, die neue Gewerbegebiete ausweisen will, was dem ökölogischen Programm der KAL widerspricht. Ein paar Monate später kritisiert sie die von ihr gewählte Bürgermeisterin Mergen heftig in der Presse. Und sie hat mit CDU und FDP einer Kürzung im Nachtragshaushalt 2008 zugestimmt. Weiter Beispiele ließen sich ohne Mühe finden. Aber sicher hat sie genau so oft oder noch mehr mit SPD und Grüne im Gemeinderat gestimmt. Nur, das fällt nicht auf. Warum? Weil sie eben hauptsächlich ein sozial-ökologiches Programm hat, das besser zu den Grünen und SPD passt. Und deshalb kommt sie aus dieser Nummer auch nicht mehr heraus. Was auch auffällt, ist das es bei der KAL anscheinend keinen politischen Nachwuchs gibt. Kontinuität bei der Listenwahl, kann auch als Platzhirschdenken ausgelegt werden. Gibt es keine 2. Reihe, die in den Gemeinderat will, oder dürfen die nicht? Die KAL ist so gut mittlerweile in der Stadtpolitik etabliert, dass man im Impressum von städtischen Broschüren oder auf Flyern von städtischen GmbHs hin und wieder die Firmen der Stadträte lesen kann. Schön, dass sich der Stadtratsjob nun auch finanziell lohnt. In einem Presseartikel konnte man lesen, dass KAL-Vorsitzender Michael Haug immer wieder hören musste, dass der Wähler nicht wisse, wofür die KAL stehe. Das sei richtig und eine Stärke der KAL erwiderte er, da man keiner Ideologie folgen würde. Kann man so sehen, aber ob die Wähler die Katze im Sack wählen möchte?

Wer wird dritte Kraft?

Vieles spricht für die Grünen, die schon jetzt mit acht Stadträte im Gemeinderat vertreten sind. Mehr ist durchaus möglich. In Freiburg holten die Grünen bei der letzten Kommnalwahl 25 %. Warum nicht auch in Karlsruhe? Dann allerdings müsste sich vermutlich die SPD warm anziehen, dass nicht noch ihr zweiter Platz gefährdet ist. Was den Grünen noch fehlt, ist etwas aus ihrem Schatten heraus zu springen. Nur 25 Mio € für eine neues Stadion ausgeben zu wollen, scheint doch etwas zu knausrig zu sein. Sie sind gegen viel (Nordtangente, Kombilösung, Kohlekraftwerk, Messe) Zu wenig kommt rüber, was sie eigentlich wollen. Was wollen sie mehr als die typisch-grünen Forderungen, wie mehr grün im Stadtbild, mehr Fahrradwege, weniger Flächenfraß, besseres Stadtklima. Anscheinend nichts. Das recht wohl aus, um ihre Klientel anzusprechen. Der Erfolg der letzten Wahl gibt ihnen Recht. Konsequente Politik ohne wenn und aber. Dafür aber nicht mehr so fundamental wie noch vor Jahren. Vom Realo-Fundi Thema spricht in Karlsruhe niemand mehr.

Die FDP hat stark vor Ort angefangen, um dann sang und klanglos im Wahlwettbewerb unterzugehen. Liberale Charakterstadt und Abfallproblematik sind die Themen der FDP gewesen, die hängen geblieben sind. Überzeugend ist das nicht. Dabei hat sie viel Rückenwind aus der Bundes-FDP, die sehr gute Umfragewerte hat. Aber in Karlsruhe. Es dümpelt so vor sich hin. Für was de FDP in Karlsruhe wirklich steht, kann man nicht erkennen.

Stärkste Kraft

Es wird wohl wieder auf die CDU hinauslaufen. Die Frage ist nur, mit Verlusten oder nicht? Ob ihr das drängen, die „Intel Friday Night Games“ abzusagen mehr gebracht oder geschadet hat, wird man auch vermutlich erst nach dem Wahlergebnis erkennen können. Einer sich liberal nennenden Stadt hat es auf jeden Fall geschadet. Liberal angehauchte Konservative könnten zur FDP umschwenken. Auch hat sich wieder gezeigt, dass die CDU in sich zerstritten ist. Es scheint auch der Fall zu sein, dass Herr Ingo Wellenreuther, Stadtrat, Bundestagsabgeordneter und CDU-Kreisvorsitzender in Personalunion, der eigentliche CDU-Fraktionschef ist. Die eigentliche Fraktionschefin Frau Luczak-Schwarz müht sich redlich die Fraktion zu einen, gelingt ihr aber nicht immer. Vor allem, wenn Herr Wellenreuther dazwischen funkt, wie in Sachen Stadionumbau/-neubau. Ob es klug war, fünf altgediente Stadträte gleichzeitig nicht mehr zur Wahl zu stellen, die konservative Wählerschichten ansprechen, und die neuen Kandidaten diese kompensieren können, ist fraglich.

Die SPD wittert Morgenluft. Doch zu Recht? Im Wahlwettbewerb einige Male verbal übers Ziel hinausgeschossen und ansonsten keine besonderen Highlights. Für was steht die SPD in Karlsruhe? Nicht mehr und nicht weniger, als für das wofür die SPD im Bund und Land steht. Sozial, sozial, sozial, dann kommt noch Bildung, Bildung, Bildung. Für eine Volkspartei eigentlich zu wenig. Sie braucht ihre politische Schwerpunkte natürlich nicht vernachlässigen, aber in vielen weiteren Politikfeldern fehlt es an vielem. Das wird zwar im Programm erwähnt, klingt aber nur wie notwendiges Beiwerk. Zu befürchten ist aus SPD-Sicht, dass sie wieder an Prozentpunkte verlieren wird, das sich diesmal auch auf die Mandatsanzahl auswirken konnte. Wenn es sehr schlecht läuft, ist es möglich den zweiten Platz an die Grünen zu verlieren. Die SPD-Fraktionschefin Frau Baitinger hat keinen schlechten Job gemacht, sich aber immer wieder an der Stadtverwaltung abzuarbeiten, und letztendlich wenig politische Erfolge zu verbuchen, kann frustrierend sein. Es ist eben z.B. kein Alleinstellungsmerkmal mehr der SPD, allein für Ausbau der KITAs und Kindergärten zu sein. Wo sind die anderen Alleinstellungsmerkmale der SPD?

Sieger sind die Nichtwähler!

Wahrscheinlich wird die Wahlbeteiligung noch geringer liegen als bei der letzten Kommunalwahl, wo sie bei 44 % lag. Was heißt das? Das jede noch abgegebene Stimme mehr Gewicht hat. Ist doch schön für diejenigen, die noch wählen gehen. Eine schlechte Wahlbeteiligung kommt in der Regel den kleineren Parteien und Gruppierungen zu Gute. Das eigentliche Problem ist aber, dass die Parteien keine Konsequenzen aus schlechter Wahlbeteiligung ziehen müssen. Denn ihr Wahlergebnis bezieht sich auf die abgegebenen Stimmen und nicht auf der Basis der Wahlberechtigten. Und das ist die Krux an der Geschichte. Und solange das so ist, sind Unmutsäußerungen zur schlechten Wahlbeteiligung nur notwendiges Getue der Parteien. Im Gegenteil. Es gibt Meinungen, die besagen, dass dann immerhin nur der wählt, den es auch wirklich interessiert. Öffentlich hört man das aber nie. Kann man so sehen. Bei wieviel Prozenten hört die politische Legitimation auf? Akzeptabel ist derjenige Nichtwähler, den Politik einfach nicht interessiert. Wer aber nicht wählt, weil er die da oben mal abstrafen will, hat die Wirkung verfehlt. Der soll oder muss wählen, und zwar die anderen, die er bisher gewählt hat. Das straft wirklich und tut bei Machtverlust den Nicht(mehr)gewählten richtig weh. Also wählen gehen!

Geschrieben am 4. Juni 2009 von Swen Kraus /

Kommentare

Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen.