Wahlkampfbeobachtungen (Teil 5)

Die K-Frage im Tollhaus
Kulturpodiumsdiskussion des Kulturrings zur Kommunalwahl ’09 vom 04.05.09

Da saßen sie nun auf dem Podium, die geballte Kulturfachkompetenz der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen und ein Vertreter der Linken. Und mittendrin der Moderator Andreas Jüttner, der vielleicht ein guter Journalist sein mag, aber leider kein guter Moderator. Er hatte schon Probleme die Politiker richtig vorzustellen, denn Frau Fromm von der FDP ist Fraktionsvorsitzende und nicht Stellvertretende. Und die KAL bedeutet immer noch Karlsruher Liste und nicht Karlsruher Alternative Liste, auch wenn sie das vielleicht gerne sein würde. Herr Jüttner, der sich eigentlich gut in der Karlsruher Kulturszene auskennen müsste, verstand es leider nicht vor ca. 100 Zuhören andere Themen, außer Kultur-Haushaltspolitik und Kreativpark Ostaue anzureißen. Und so konnten die Vertreter der Kulturpolitik das sagen, was sie in solchen Situationen meistens machen. Sie rattern ihre Statements runter, ohne wirklich zu diskutieren.

Konsens oder Dissens?

Anfangen zu rattern durfte als erstes Frau Ernemann von der SPD-Fraktion. Sie sei mit den Haushaltsberatungen in Sachen Kultur zufrieden, was die Klein- und Großkultur anginge. Und sie könne doch in dieser Frage sicher auch für die anderen Fraktionen sprechen. Denn schließlich herrschte ein großer Konsens bei den Kulturhaushaltsberatungen. Dem beipflichten konnte Dr. Albert Käuflein von der CDU-Fraktion, denn es gebe schließlich nur in Nuancen Unterschiede und zwischen den Kulturvertretern der Fraktionen sei ein breiter Konsens vorhanden. Wer jetzt befürchtete, dass es in dieser Kulturharmonie weiterging, konnte aufatmen.

Denn da gab es noch Frau Anne Segor von der Grünen-Fraktion, die meinte, dass es gar keinen so großen Konsens unter den Fraktionen gäbe. Die freie und die Soziokultur bräuchte mehr Unterstützung. Wie das genau aussehen soll, hat sie nicht gesagt. Dafür gab sie an, wo kein Konsens bestünde. Beim Baukostenzuschuss von jeweils mehreren 100.000 € fürs Tollhaus und Substage hätten nur SPD/Grüne/KAL für den Antrag gestimmt, CDU/FDP diesen abgelehnt. Das sei nötig gewesen, damit (Achtung, jetzt kommt’s) das Tollhaus nicht mehr auf kommerzielle Produktionen fahren müsse. Denn das wäre wiederum nötig gewesen, wenn der zinslose Darlehensantrag von CDU und FDP eine Mehrheit im Gemeinderat bekommem hätte. Was bedeutet denn das im Umkehrschluss? Tollhaus fährt bislang keine kommerzielle Schiene oder bedeutet das, dass das Tollhaus nur sehr wenig kommerzielle Schiene bislang fährt? Und was bedeutet Kommerzialisierung in diesem Sinne überhaupt? Das sind offene Fragen, wo jetzt eigentlich der Moderator einhaken müsste. Hat er aber nicht.

Ein weiteres Beispiel des Dissenses gab Frau Segor an: Die Grünen und die KAL beantragten eine Erhöhung des Projektförderungshaushaltstopfes um 25.000 € auf insgesamt 50.000 €. Antrag abgelehnt durch die anderen Fraktionen. Dies könne sie nicht verstehen, da der Topf ausgeschöpft worden sei und eine Erhöhung logisch erscheint. Dem hielt Frau Fromm von der FDP entgegen, dass aber schon institutionell geförderte Kultureinrichtungen aus diesem Top für Projekte beantragen würden und das nicht der Sinn der Sache sein könnte. Diese müsste ihre Kulturprojekte aus ihrem Haushalt stemmen können.

Nun durfte Dr. Eberhard Fischer von der KAL-Fraktion anfangen zu rattern. Er finde den Einstieg in die Diskussion nicht gut, denn Kultur lebe unabhängig vom Geld. Das KOHI in der Südstadt bekäme auch keinen Zuschuss und würde gute Kulturarbeit machen, dort gäbe es einen Poetry Slam. Dass es schon seit Jahren einen Poetry Slam in einem kommerziellen Kulturhaus in Karlsruhe gibt, erwähnte er nicht, obwohl er das eigentlich wissen müßte. Das ist verständlich, denn schließlich kandidiert auch ein Vorstandsmitglied des KOHI auf der KAL-Kandidatenliste und nicht nur Frau Vellhagen vom Tollhaus. Auf eine spätere Nachfrage eines früheren Clubbetreibers, wie das KOHI sich nach ein paar Jahren weiter finanzieren sollte, antwortete er nicht. Abgesehen davon muss man wissen, dass man zuschussfähig erst nach einer gewissen Zeit von Existenz ist. Und allein finanziert, hat das KOHI das Programm auf dem Werderplatz zum Stadtgeburtstag wohl auch nicht, auch wenn das von einem anderen Geldtopf kommt. Letztendlich, so Fischer, sei die Kulturszene in Karlsruhe gut bedacht im Vergleich zu anderen Städten. Abgesehen davon seien bei Investitionsmittel-Anträgen eher Mehrheiten im Gemeinderat zu finden, als bei einer dauerhaften Erhöhung der institutionellen Förderung.

Bevor der Linke Vertreter Dieter Emig seine kulturpolitischen Vorstellungen losrattern durfte, räumte Frau Ernemann (SPD) in einem fast dramatisch klingenden Einwurf ein, dass es in ihrer SPD-Fraktion Kultur als letzter Bereich stünde, denn schließlich steht die SPD vorrangig für Sozialpolitik und Bildungspolitik. Sie hätte es eben schwer durchzudringen und Mehrheiten zu finden. Und dafür wären die Haushaltsberatungen sehr gut gelaufen. Ähnliches räumte Dr. Albert Käuflein von der CDU ein. Das klang so, als ob man noch Verständnis für die Vertreter der Volksparteien haben soll, wie schwer sie es doch in Sachen Kultur haben. Verständnis? Eher eine Erklärung, warum die Volksparteien in vielen Bereichen Zustimmung verlieren und viele Politikfelder den anderen kleineren Parteien mittlerweile überlassen müssen.
Noch immer musste Dieter Emig (Linke) auf sein Losrattern warten, denn Frau Fromm (FDP) musste noch loswerden, dass in Karlsruhe die Leuchtkraft der Kultur als Standortfaktor angestrebt werden müsse. In vielen Bereichen sei alternative Kultur schon zur traditionellen Kultur geworden sei. Wen sie damit meinte, sagte sie nicht. Unverständlich in diesem Sinne und zusammenhanglos erwähnte sie noch, dass die Clubkultur (was sie darunter auch immer versteht) kein Geld beantragen würde. Ach ja, ist das so?

Aber jetzt durfte dann doch endlich Dieter Emig von den Linken ran. Kultur sollten alle machen dürfen, auch Laien, Kinder und Senioren, gleichgültig welchen Status sie haben. Er sieht eher Kulturangebote und Kulturarbeit als sozialen Aspekt an, und findet es gut, wie der Werkraum e.V. Kultur vermittelt, der ja auch in den Haushaltsberatungen Berücksichtigung gefunden hat. Allerdings prognostizierte er, dass nach den Wahlen Kürzungen kommen werden und somit Einsparungen vorgenommen werden müssen, wobei die Kultur nicht geopfert werden dürfe.

In diesem Zusammenhang erwiderte Dr. Fischer (KAL) , dass der soziale Aspekt der Kultur in Karlsruhe nichts Neues sei, denn es gäbe schon seit längerem den Schule-Kultur Haushaltstopf. Frau Segor (Grüne) meinte, dass es durchaus zu Sparprogrammen kommen könnte, man verspreche aber bei der Kultur nicht zu kürzen.

Missmanagement beim Kreativpark Ostaue?

Nachdem die Kulturhaushaltsberatungen im Tollhaus noch einmal durchgearbeitet wurden, der Moderator sich beeindruckend im Hintergrund gehalten hat, kam das Thema zum alten Schlachhofgelände, dem Kreativpark Ostaue. Auslöser war ein Gedanke von Rita Fromm (FDP), dass sich die Kultur besser vernetzten müsste. Sie stelle sich vor, dass der Kreativpark analog des Technologieparks angegangen werden müsste. Die Kultur könne hierbei viel von der Wirtschaft lernen. Mehr Kooperationen zwischen den Kulturträgern wären wünschenswert, um somit die Kultur in Karlsruhe besser als Wirtschaftsfaktor präsentieren zu können. Und dafür wäre der Kreativpark sehr geeignet und man müsse jetzt klären, was dringlich auf dem Schlachthofgelände passieren müsse.

Diesen Ball nahm dann Dr. Fischer (KAL) auf, der die Bedeutung des Tollhauses nochmal für den Kreativpark hervorhob, von 90 % Eigenfinanzierung und 1 Mio € Umsatz sprach, dabei das Personalpronomen „wir“ verwandt, nachdem er sich bei Frau Vellhagen vom Tollhaus der Zahlen rückversicherte. Manchmal ist es einfach schwer die angebliche politische Distanz zu einem Lobbyempfänger dauerhaft zu gewähren. Zurück zum Thema: Herr Dr. Fischer meinte, dass Hauptproblem sei, dass drei Träger für das Schlachthofgelände zuständig seien. Die Fächer GmbH, das Wirtschaftsförderungsamt und das Kulturamt. Die Federführung sei nicht eindeutig, wer für die Entwicklung des Schlachthofes verantwortlich sei. Das muss sich ändern, und abgesehen davon bräuchte es einen Manager auf dem Gelände, der als Ansprechpartner für Interessierte am Schlachthof zur Verfügung steht. Dem schloss sich auch Frau Ernemann (SPD) an, die ergänzend meinte, dass ein Kulturbüro mit dem Manager sich nicht im Rathaus hinterm dem Kulturamt verstecken dürfe. Herr Dr. Albert Käuflein (CDU) nahm die Fächer GmbH etwas in Schutz, indem er ihr gute Arbeit attestierte. Die Vermarktung der Grundstücke verlaufe gut, räumte aber ein, dass die Mietpreisvorstellungen der Fächer GmbH für Kulturinterssierte nicht stimmen könnten.

Unterschiedliche Vorstellungen gab es auch, wer sich auf dem Kreativpark ansiedeln dürfe. Frau Segor (Grüne) unterstrich in diesem Zusammenhang, dass zu große Unternehmen, wie z.B. Verlage oder Filmproduktionsgesellschaften sich mit kleinteiliger Kultur nicht vertragen würden. Sie räumte auch ein, dass auf dem Gelände bislang zu wenig bewegt worden sei, und die baulichen Zustände nicht gerade Interessierte einladen würde. Dieter Emig (Linke) befürchtete, dass auf dem Schlachthofgelände der Kommerzialisierung der Kultur nur Vorschub geleistet würde und sieht dessen Entwicklung kritisch.

Fazit der Veranstaltung

Es war eine Veranstaltung des Kulturringes, dem Dachverband der soziokulturellen Vereine in Karlsruhe. Und genauso muss man es sehen. Spannend ist anders, wirklich wichtige kulturelle Fragen wurden nicht gestellt. Erst ganz am Schluss wurden Fragen aus dem Publikum aufgeworfen, die interessant gewesen wären zu beantworten. Dies räumte auch ein Podiumsteilnehmer ein, der meinte: „Jetzt könnte es spannend werden.“ Wurde es aber nicht, denn nach 2,5 Stunden inklusive Kulturbeitrag von Gunzi Heil, war es dafür zu spät.

Geschrieben am 5. Mai 2009 von Swen Kraus /

Kommentare

  1. Ich wollte eigentlich auch hin, hatte aber zu viel zu tun. Aber du hast es ja schön zusammengefasst, vielen Dank!

    Beate · 6. Mai 2009, 21:28 · #

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